Rechtsextremes Gedankengut bei Liebe zur Bibel?

In einem Insta-Post vom 31.01.2023 hatte Jasmin Neubauer die aus ihrer Sicht notwendigen christlichen Leitlinien für Wahlen präsentiert. Sie nannte keine Partei, aber der Wink mit dem Zaunpfahl ist offensichtlich: Traditionelle Familie von Vater, Mutter und Kind, Schutz des ungeborenen Lebens, Anerkennung von nur 2 Geschlechtern, Fernhalten von politischen Ideologien aus dem Kindergarten – das hat so letztlich nur die AfD im Programm. Jasmin Neubauer fragte, wen sie als Christ wählen soll. Die Antwort kann man sich zusammenreimen. 

Liest man die Kommentare zu dem Beitrag, so erhärtet sich der Eindruck, dass hier die AfD implizit beworben werden soll. Sie bedankt sich bei einem Kommentatoren, der offen die AfD anpreist: „Interessante Gedanken, danke für deinen Beitrag“. In einem anderen Kommentar wird gefragt, was denn die parteipolitischen Optionen wären. So richtig gäbe es ja keine Partei. Jasmin antwortet, dass man „Abtreibung Parteien im Vergleich“ googlen solle. Spätestens an dieser Stelle ist klar: Es läuft nur auf die AfD hinaus.  

Bestimmte Positionen (wie die von Jasmin Neubauer), tauchen in der konservativen Politik der CDU nicht mehr auf. Werden diese Positionen dann aber von Parteien bedient, die dem rechtsradikalen oder rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden können, besteht ein hohes Risiko, in den Strudel gezogen zu werden. Und genau dabei kann man ihr seit einiger Zeit öffentlich zusehen. 

Aber was sind die Anzeichen dafür? Auf eine Weise gibt sich Jasmin Neubauer betont unpolitisch. In Interviews unterstreicht sie, dass es ihr nicht um Politik gehe, sondern um Jesus. Sie vertrete christliche Werte, eine offene, ausdrückliche parteipolitische Agenda ist bislang nicht erkennbar. Politische Themen erscheinen ihr nicht sehr zentral zu sein, sie nutzt vielmehr jede Plattform, um zum Glauben an Jesus aufzurufen. So auch in einem Video mit den rechten Youtubern Leo Jäger und Eingollan. An verschiedenen Stellen drückt sie große Verwunderung darüber aus, dass Medienberichte sie als „rechts“ und „gefährlich“ einordnen. In ihrem Selbstverständnis dreht sich aber alles nur um Jesus, warum diese Anfeindung? Ihre Erklärung ist, dass offenbar die Medien Jesus hassen, sonst würde es doch nicht derartige Kritik hageln? Tut man Jasmin Neubauer also Unrecht, wenn man ihr demokratiezersetzende Tendenzen nachsagt? Ich fürchte, dahinter steckt mehr. 

Verfolgt man die Inhalte von Jasmin Neubauer, dann wird man immer wieder Bezüge zu rechten Inhalten finden. Sie tritt mit bekannten rechten Influencern vor die Kamera und verkauft zusammen mit Leo Jäger, der hinter dem Kanal „Ketzer der Neuzeit“ steckt, Pullover mit der Aufschrift „Truth over Pride“. Mir geht es hier jedoch nicht um das Ansprechen einer problematischen Verbindung im Sinne einer Kontaktschuld. Es ist vielmehr so, dass Jasmin Neubauer eine Art Türöffner für rechtsradikales Gedankengut in der christlichen social Media Bubble ist. Auf ihrem Account darf Leo Jäger unwidersprochen Verschwörungserzählungen verbreiten, für einen der bekanntesten Akteure der Verschwörungsszene werben und davon reden, dass der Staat in seiner aktuellen und zukünftigen Verfasstheit keine Daseinsberechtigung habe. Das sind demokratiezersetzende Positionen, die dem Rechtsextremismus zuzuordnen sind. Gemeinsam unterhalten sie sich darüber, dass doch eigentlich das Satanische im Hintergrund die Fäden zieht. Verschwörungsmythen und ein Weltbild der geistlichen Kampfführung haben offenbar eine große Anschlussfähigkeit. 

Es wird kein Bewusstsein dafür deutlich, dass Verschwörungserzählungen hochproblematisch sind, Jasmin Neubauer zieht diesen ernsten Vorwurf vielmehr ins Lächerliche. Verschwörungserzählungen zersetzen Vertrauen in demokratische Institutionen und führen immer wieder zu Gewalt und Terror. Vom Pizza-Gate in Washington bis zum Anschlag in Hanau und dem Massenmord durch Anders Breivik – Verschwörungserzählungen spielten jeweils eine zentrale Rolle. Darüber hinaus muss betont werden, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen. Christen sind der Wahrheit verpflichtet, das Verbreiten von verschwörerischen Lügen ist nicht akzeptabel und kann in christlichen Kreisen nicht einfach hingenommen werden. Das sollte man jedenfalls meinen. 

Spätestens seit Leo Jäger seine Taufe öffentlich im Fernsehen zelebriert hat, scheint er in der konservativen Christfluencer Szene mit offenen Armen aufgenommen zu sein. Das Medienmagazin Idea sprach unlängst in einem Beitrag davon, dass Leo Jäger ein sprachfähiger junger Christ sei, der begeistert und eloquent von seinem Glauben erzähle. Dass sein Geschäftsmodell auf Polarisierung, Verachtung von queeren und feministischen Menschen und Zersetzung des Vertrauens in demokratische Institutionen, Medien, Wissenschaft und Bildungswesen – und eben auf Verschwörungserzählungen basiert, wird nicht problematisiert. Gibt es in konservativen-bibeltreuen Kreisen Abwehrkräfte gegen derartige Phänomene? Bislang bleibt es dahingehend bis auf wenige Ausnahmen auffällig still. 

Die konservativ-bibeltreue Szene sieht sich in einem Rückzugsgefecht gegen die „woke“ Ideologie, der totalitäre Züge angedichtet werden. Hier scheint das Vertrauen in demokratische Einrichtungen, in Bildungswesen, Politik und Medien derart erodiert zu sein, dass der Schulterschluss mit rechten Kräften an so manchen Stellen unproblematisch wirkt. Wer ordentlich auf die Woken draufhaut, wirkt vertrauenswürdig und man hört vielleicht auch sonst, was entsprechende Personen oder politische Akteure zu sagen haben. Dann werden politische Einordnungen hinterfragt: Was ist schon rechtsextrem? Hat es nicht vielmehr einen krassen Rechtsruck gegeben, so dass gemäßigte Positionen heute rechtsextrem wirken? Diese Verharmlosungsstrategie kennt man sonst aus neurechten Strategiepapieren. Auch Alice Weidels Buch ist voll davon. Man sieht diese Argumentationsfigur heute bei prominenten Christfluencern. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass bibeltreue Evangelikale das im großen Stil kaufen. Aber ich habe meine Zweifel. Wie sieht es aus mit evangelikalen Abwehrkräften gegen Rechtsextremismus?

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