Einem berühmten deutschen Comedian wird nachgesagt, er habe zu Beginn eines Auftritts angefangen herzhaft zu lachen. Das irritierte Publikum lachte mit. Dann erklärte er: „Ihr kommt hierher und bezahlt dafür, dass ich euch Quatsch erzähle. Und von eurem Geld setze ich mir dann ein fettes Haus hin.” Was üblicherweise ganz und gar nicht witzig wäre, erntete erneut schallendes Gelächter. Niemand verließ die Show.
Denn genau dafür war man gekommen.
Ich beobachte etwas Ähnliches im Zuge des Podcasts „Toxic Church“, der ein kritisches Licht auf verschiedene Aspekte der Hillsong Church Germany wirft. Ich finde den Podcast klasse und denke, dass die Verantwortlichen einen guten Job gemacht haben. Mir ist dabei auch nicht zum Lachen zumute. Mir geht es vielmehr darum, was die Reaktionen auf diese Enthüllungen über die freikirchliche Szene aussagen, denn ich habe den Verdacht, der Podcast wird dort letztlich auch nur zur Lachnummer.
Statt die überdeutliche Kritik aus den Medien aufzunehmen, scheint das Publikum sie einfach “wegzulächeln”. Die Dinge, die im Podcast kritisiert werden, werden von der Hillsong-Community womöglich völlig beabsichtigt in Kauf genommen.
Nehmen wir die Trumpwahl 2016. Da wurden im Vorfeld die schlimmsten Sachen herausgefunden, Trump überschritt eine rote Linie nach der anderen und wurde schließlich dennoch Präsident. Hätte sich nicht ganz selbstverständlich eine Mehrheit der Menschen von ihm abwenden und für eine maßvolle Politik einstehen müssen? Nein, denn Trumps Grenzüberschreitungen waren gerade das, was viele wollten.
Ebenso übersehen viele Beobachtende, dass der Hipster-Hollywood-Lifestyle gerade das ist, was die Hillsong-Community feiert. Durch Hillsong können sie diesem Lifestyle nahe sein und ihn zusätzlich mit dem Glauben in Verbindung bringen. Der Glamour färbt ab. Ob diese Synthese jedoch mit christlichen Werten zu vereinbaren ist, scheint wie im Falle Trump und den demokratischen Prinzipien erstmal wenig problematisiert zu werden. Es ist erfolgreich. Das zählt.
Die investigativ-journalistische Plattform „correctiv“ hat in Zusammenarbeit mit der Journalistin Kyra Funk Finanzdaten von Hillsong Germany ausgewertet, die ein Whistleblower geleaked hatte. Dort heißt es: „Die Kirche zahlte ihrem deutschen Vorstand und weiteren Führungskräften luxuriöse Reisen, eine teure Wohnung in bester Lage in Düsseldorf, Dienstwagen, eine Lebensversicherung, Besuche im Fitnessstudio und teure Geschenke. Finanziert wurde das auch mit Spenden der Anhänger.“
Als Detail sieht man einen Screenshot, aus dem hervorgeht, dass Freimut Haverkamp (Leadpastor) zum 40.Geburtstag ein Geschenk im Wert von ca. 6800€ bekommen hat. Einen Tag nach Veröffentlichung dieses Artikels reagiert Freimut Haverkamp auf den Podcast mit einem Youtube-Video und meint, dass es nicht stimme, dass Hillsong einigen wenigen ein Luxusleben mit Spendengeldern finanzieren würde. Luxus ist wohl Interpretationssache.
Ein Skandal? Ich denke innerhalb der Hillsong-Community nicht. Hillsong ist eine Kirche, in der Großspender eine tragende Rolle spielen. Auf der Webseite von Hillsong heißt es: „Kingdom Builders sind Menschen, die die Möglichkeiten und die Überzeugung haben, die Kirche in besonderem Maße durch ihre Finanzen zu fördern [..]. Sie [..] entscheiden sich zusätzlich zu ihrem zehnten Teil, großzügig mit einem Beitrag ab 3000€/ 4000CHF [..] beizutragen.“
Menschen, die sich zusätzlich zum „Zehnten“ noch 3000€ Spenden leisten können, müssen recht wohlhabend sein. Werden diese Leute besonders überrascht sein, wenn ein Freimut Haverkamp in einem teuren Hotel übernachtet? Eine Rolex trägt? Eine Zweitwohnung in Düsseldorf mit toller Lage hat? Einen Pool besitzt? Bestimmt nicht. Das ist in diesen Kreisen eher Standard. Wenn man selbst eine Rolex besitzt, warum sollte man den Pastor dafür kritisieren?
Aber was ist mit den anderen Leuten, diejenigen, die nur einen kleinen Bruchteil davon spenden können? Auch diese Leute gehen zu Hillsong, weil Hillsong genauso ist, wie es ist. Hillsong ist eine Kirche, die den Kapitalismus wie sonst wohl wenige im religiösen Sektor verstanden hat. Hillsong ist Kapitalismus plus Religion auf Speed. „Das Geschäft mit dem Glauben“, wie correctiv titelt. Die Kunden von Hillsong kaufen das Produkt, sie regen sich nicht darüber auf, vor allem nicht über das Marketing. Hillsong ist ein Big Player in der Musikindustrie. Ihre Art von Glauben hat viel mit Scheinwerfern, Stars, Style und Luxus, mit Highperformance zu tun. Das ist es, was die Fans in christlicher Version wollen. Das ist es, wofür sie zahlen. Und das kriegen sie auch.
Mich erinnert das an die WM in Katar. Wissen Fußballfans nicht um die Millionengehälter der Topstars und des Managements? Weiß man nicht um die Korruption? Um die Ausbeutung? Klar. Man will es trotzdem. Und man lächelt weiter.
Ich möchte glauben, dass Kirche mit weniger Kapitalismus funktionieren kann. Mit einem anderen Kern. Mit anderen Werten und Prinzipien. Im Moment wird „erfolgreiche Kirche“ weltweit jedoch vor allem mit einem Bild verbunden: Eine große Konzerthalle, eine große Bühne, eine Band, ein Prediger und viele tausende Zuschauer. Vielleicht braucht es vor allem eins: Ein anderes Bild.
Hans-Peter Glahs
4. Juni 2023 @ 10:25
vielen Dank für Dein Statement. Das kann ich so unterschreiben. Mir ist dazu der Begriff „Holywood-Faith“ eingefallen, weil es wie in der Filmindustrie (etwas arg pauschal) um Künstlichkeit und Oberflächlichkeit geht, eben den schönen Schein. Ähnliche Phänomene lassen sich auch in anderen Life-Style-Churches beobachten. Tolle Show, smarte good looking People, klasse Musik, abwechslungsreich, stylisch, aber wenig geistliche Substanz. Vieles bleibt nur oberflächlich. Die Preacher haben mehr Ähnlichkeit mit Motivations-Gurus: Tschakka, tschakka. Die vielen Anglismen sind Absicht, weil in diesen Churches eine Mischung aus Business-Englisch und biblischen Begriffen getalkt wird.