Mit einer kurzen Einführung startete unsere Gruppe am Rande des Waldes, um danach eine gute Stunde Zeit in der Stille zu verbringen. Jede*r konnte für sich im Wald sein. Anschließend würden wir uns wieder am Ausgangspunkt treffen. Kein vorgeschriebener Weg. Einkehr. Wahrnehmen. Kein Handy.
Und dann völlig verlaufen.
Ich hatte mich an diesem Windrad orientiert, das auf einem Berg stand. Nur, dass nach einer halben Stunde ein neuer Blick auf die Landschaft möglich wurde. Auf einmal gab es wenigstens zehn Windräder. Wo war ich gestartet?
Unterwegs fragte ich einen Waldarbeiter nach dem Weg. Er konnte mir nicht direkt helfen, aber er zeigte mir die Richtung zum nächsten Parkplatz. Es stellte sich später heraus, dass der Parkplatz gut 5km vom Ausgangspunkt entfernt war. Das war ärgerlich, weil ich schließlich abgeholt werden musste.
Mich erinnert das an viele Debatten in der christlichen Welt. Mir scheint, als würde häufig um „den richtigen Weg“ gestritten. Einige möchten mit Nachdruck das Windrad als unverrückbaren Orientierungspunkt festlegen. Nur so kommen wir ans Ziel.
Andere sagen: Es gibt viele Windräder – woher willst du wissen, was das richtige ist?
Noch andere sagen: Wir haben keine Orientierung. Die Methode „Windrad“ ist nicht hilfreich. Wir müssen anders vorgehen.
Und dann gibt es noch eine Gruppe, die es für eine gefährliche Lüge hält zu sagen, es gäbe mehrere Windräder. Denn es würde bedeuten, dass der Weg verloren wäre und wir keine Orientierung mehr finden könnten.
Nur was, wenn man bereits an solchen Stellen gewesen ist, die einem den breiteren Blick zugelassen haben? Was, wenn man schon mehr als ein Windrad gesehen hat?
So in etwa hat mein Weg aus dem evangelikalen Fundamentalismus ausgehen. Vielleicht hilft diese parabelartige Geschichte auch, verschiedene Arten von Glaubensweisen zu unterscheiden:
Fundamentalismus
Es gibt nur ein Windrad. An dem orientieren wir uns. Nur so kommen wir ans Ziel. Alle anderen Erklärungen streiten wir ab.
Dogmatische Religion
Es gibt mehrere Windräder. Aber ich orientiere mich an dem richtigen. Nur so komme ich ans Ziel.
Undogmatische Religion
Windräder gibt es überall. Für manche taugen sie zur Orientierung, für manche nicht. Es ist besser, seinen Weg zu gehen, fragend zu sein (Es gibt andere Infoquellen als bloß Windräder) und vor allem: das Unterwegssein zu genießen. Man muss nicht zwingend am Ausgangspunkt ankommen. Aber habe vertrauen, du wirst ankommen.