Einmal hatte ich diese Idee für einen Song.
Eigentlich ist das Wort Idee nicht treffend.
Es war mehr ein tiefes Gefühl, zu dem ich gerade einen Zugang gefunden hatte.
Ein innerer Drang nach Freiheit.
Sehr viel Energie.
Und der Wunsch, sich in etwas völlig hineinzulegen.
Fallen lassen. Loslassen. Intensität.
Und das alles in h-Moll.
In meinem Kopf entstand ein Lied. Eine Bassline. Ein Beat.
Aber noch kein Text.
Ich zeigte diese Ansätze meinen Bandkollegen.
Die waren zwar froh, dass mal wieder eine neue Idee da war, mit der man arbeiten könnte. Aber niemand fand es so richtig geil. Es hat noch nicht gefunkt. Wir verbrachten einen langen Abend damit, an der Idee herumzudoktern, jedoch kam der Punkt, an dem keiner mehr Bock hatte und niemand so richtig glaubte, dass da ein Song draus werden könnte. Geschweige etwas, worauf wir Lust hätten.
Der Abend war gelaufen.
Ich war enttäuscht.
Der Drummer machte – mehr um die Probe nun abzuschließen – noch etwas Krach. Spielte einen unerwarteten Part. Und dann machte es klick.
Etwas passte auf einmal.
Mein Riff und sein Beat kamen zusammen.
Da war der Zugang. Es war, als würde jetzt deutlich, was ich ursprünglich sagen wollte. Die Idee war nun da. Das Verstehen war da.
Damit konnten wir alle etwas anfangen. Und es machte auf einmal wirklich Spaß. Wir waren im flow.
Der Text ließ noch etwas länger auf sich warten, aber ein paar Wochen später spielten wir den Song auf einer Party. Das war für mich überwältigend.
Es war heilig.
Denn dieser Song war bereits vorher da. In mir. In der Dynamik der Band. Aber er musste hervorgeholt werden. Es musste fließen. Und der Prozess war verdammt anstrengend.
Wir konnten uns nur in diesen Prozess hineingeben. Aber in diesem Prozess kann man nichts erzwingen. Kreativität kommt. Man kann sich dem nur öffnen. Aber man kann es nicht herstellen.
Da muss man warten. Nicht passiv, nicht untätig. Wir versuchen den Song ja zu erspielen. Ausprobieren. Hinhören. Hineinfühlen.
Und doch ist dieser Schaffensprozess auch etwas, das sich mir entzieht. Es muss zu mir kommen.
Elizabeth Gilbert hat davon geredet, dass der künstlerische Genius früher als eine Art Geist geglaubt wurde, der in den Wänden des Künstlerateliers lebte und dem Künstler unsichtbar assistierte. Ein Kunstwerk würde nicht entstehen, wenn dieses körperlose Irgendwas auftauchen und mitwirken würde.
Ich kann mit dieser Vorstellung etwas anfangen.
Und es hilft mir zu verstehen, was Gott sein könnte. Wie Gott entsteht. Wie Gott im Leben auftaucht. Gegenwärtig wird.
Denn nicht nur beim Songwriting kommt es zu einem kreativen Prozess.
Das gesamte Leben ist ein solcher Prozess.
Ein Kunstwerk.
Eine Geschichte.
Poesie.
Der Schaffensprozess ist uns dabei aufgedrückt worden.
Ich bin in das Leben geworfen und muss mich dem stellen.
Ich muss meine Geschichte schreiben. Das fühlt sich an unterschiedlichen Tagen unterschiedlich an. Ich muss selber leben, das nimmt mir niemand ab.
Auch Gott nicht.
Manchmal macht mich das wütend. Dann wünsche ich mir, dass ich die Verantwortung der Lebensgestaltung nicht alleine tragen müsste.
Und dann gibt es Tage, an denen ich es als befreiend erlebe: Ich darf und kann mein Leben gestalten. Es gibt Möglichkeiten und Perspektiven. Da geht etwas.
Und dann gibt es diese Momente, in denen ich merke, dass das Leben etwas anderes hervorbringen könnte. Da wartet irgendetwas. Eine Geschichte, die geschrieben werden will. Aber was ich auch tue, es scheint nicht hervorzukommen.
Und dann gibt es diese Momente, in denen die Dinge doch zusammen kommen.
Dann entsteht etwas Wunderbares im Leben.
Das kann man nicht planen. Und auch nicht herstellen.
Aber hin und wieder entsteht etwas Besonderes.
Ein überraschende Wendung.
Schönheit.
Hoffnung.
Klick.
Und es fühlt sich manchmal so an, als wäre in meiner eigenen Lebensgeschichte eine Geisteskraft anwesend, die sich einmischt. Eine Schöpfungskraft, Lebensenergie. Auf die man sich einlassen kann. Und dann kann etwas Neues entstehen. Schönere Geschichten zum Beispiel.